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Unter dem Motto „Schutzschirm – Miteinander – Unter einem Dach“ steht die Ausstellung von Natascha Auenhammer und Alexander Jakhnagiev, die im kabelwerk artspace, Wien, am 2. September 2012 von Hubert Thurnhofer eröffnet wurde.

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Der Schirm ist untrennbar mit dem Wort Schutz verknüpft. Man spannt einen Schirm auf, um sich vor dem Regen zu schützen. Doch wirkt dieser Schutz tatsächlich? Vielleicht in einem von 100 Fällen kommt man trotz Schirm trocken nach Hause. Da muss schon ein kultivierter Salzburger Schnürlregen niederprasseln, der die Festspielgäste unter ihren Schirmen vor der Nässe verschont. Doch bei einem richtigen Regenguss, wo der Wind das Wasser auch von der Seite reinbläst, wo die Schuhe nach einer Minute patsch nass sind – bei so einem Regen bietet der stärkste Schirm keinen Schutz.

Ganz zu schweigen vom Hurrikan Isaac, der derzeit, zwei Jahre nach Kathrina, über Florida fegt. Ein Hurrikan ist übrigens ein Tropensturm, der mit über 118 km/h über den Nordatlantik oder Nordpazifik fegt. Wenn so ein Sturm über dem Südpazifik aufkommt, heißt er Taifun. Und in Indien leben immer wieder Zyklopen auf. Nur Europa hat keinen eigenen Wirbelsturm – außer der Eurokrise. Auch hier versucht man mit einem „Schutzschirm“, mit ESM, dem Europäsichen Stabilitätsmechanismus, das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Doch ESM ist natürlich genauso filigran, wie jeder andere Schirm.

ESM ist so, als würde ich hier im artspace einen Schirm aufspannen und sagen, jetzt bin ich geschützt. Sie würden sagen: aber da herinnen kann es ja gar nicht regnen. Und ich entgegne: Aber die Decke kann einstürzen, dann bin ich der einzige, der sicher unter dem Schirm steht.

Ob Hurrikan, Taifun, Zyklon oder einfach alpines Gewitter, in 99 von 100 Fällen sind wir trotz Regenschirm patschnass. Aber wir glauben immer noch an die Wirksamkeit des Schirms. Heißt das, wir sind unfähig, aus Erfahrung zu lernen? Nein, es heißt, wir wollen uns einach unseren tiefsten Glauben nicht nehmen lassen. Manche nehmen einen Schirm mit, wenn sie aus dem Haus gehen, damit es nicht regnet. Ein Aberglaube, werden Sie sagen! Da könnte man auch sagen, es sei ein Aberglaube, zu meinen, man bleibe trocken, wenn man den Schirm bei Regen aufspannt. Für das erste Beispiel gibt es wesentlich mehr empirische Nachweise und Bestätigungen, als für das zweite!

Ob Schutzschirm ESM, Regenschirm oder Sonnenschirm – jeder Schirm ist eine Illusion, an die wir glauben wollen oder müssen. Schirme sind keine Symbole für unsere Leichtgläubigkeit, sondern Instrumente angewandter Glaubenspraxis. Wir brauchen Schirme, weil wir den Glauben brauchen!

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Alexander Jakhnagiev präsentiert uns in dieser Ausstellung Schirme, die Kinder bemalt haben, und führt uns damit spielerisch zurück zu unserem kindlichen Glauben. Es gibt aber tatsächlich Schirme, die objektiv und absolut Schutz bieten, nicht die Regenschirme, nicht die Sonnenschrime, sondern: Bildschirme. Über den Bildschirm flimmern pausenlos Nachrichten. Bürgerkrieg in Syrien, ein Bombenaschlag in Israel, Flüchtlingselende im Mittelmeer. Alles life! Wir sind mitten drinnen, aber es besteht für uns als teilnehmende Zuschauer nicht die geringste Gefahr!

Ähnlich wie Bildschirme sind die puzzle-artig zusammengesetzen Bilder von Natascha Auenhammer konzipiert. Anders jedoch als bei einem Bildschirm, wo jedes Pixel bei Vergrößerung immer der gleiche Farpunkt bleibt, entfalten die einzelnen Pixel von Nataschas Bildern eine eigene Individualität. Ihre Pixel sind Personen mit Migrationshintergrund, die zu Bausteinen von Ansichten der Stadt Wien werden. Etwa 500 Personen sind bereits zu Puzzle-Stücken von Auenhammers Wien geworden. Ich selbst bin allerdings nicht dabei, obwohl ich als Steirer in Wien auch ein Ausländer bin. Aber Ausländer darf man ja nicht sagen. Das ist ausländerfeindlich, obwohl wir alle im größten Teil der Welt Ausländer sind. Politisch korrekt ist jedenfalls: Bürger mit Migrationshintergrund. Da stellt sich nur die Frage, ob es politisch korrekt ist, einen Hurrikan „Isaac“ zu taufen, oder ob sich dahinter nicht antisemitische Absichten verbergen?

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