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Wenn VOGUE (am 30. März 2015) über den angeblich boomenden Kunstmarkt auf der Art Dubai berichtet, dann klingt das so:

„Ich bin immer gerne in Dubai. ... Die Stadt, die vielen Künstlern und Galerien ein Zuhause bietet, hat nun auch das richtige Publikum gefunden. … Die Dynamik der Art Dubai und der zahlreichen dazugehörigen Events war in der The Art-Bar besonders spürbar. Der beliebte Besucher-Treffpunkt hatte sich unter der Leitung des palästinensischen Künstlers Yazan Khalili einer beeindruckenden Verwandlung unterzogen. … Das "The Vida"-Hotel, das ich sehr empfehlen kann, bietet nach den vielen interessanten Eindrücken eine schicke und erholsame Übernachtung in der Stadt. …
Ein Besuch der "Design Days Dubai Exhibition" war für den folgenden Tag vorgesehen. Und siehe da, dessen nun schon vierte Edition bot das Beste an Design von bekannten Künstlern aus dem nationalen und internationalen Bereich und zeigte Werke aus 16 Designstudios und Galerien. Nach einem ausgiebigen Rundgang vor Ort fand der Tag sein Ende im "Zaroob", einem landestypischen Restaurant, … Ein Spaziergang durch Downtown Dubai stand auf der Agenda, um sich das "Emirates Classic Car"-Festival anzusehen. Mit einem imposanten Line-up von mehr als 250 Oldtimern, Motorrädern und Trucks stellte es eines der beliebtesten Attraktionen während dieser Tage dar. Später nahm ich das Abendessen im "Boca" ein und hatte Drinks bei "Roberto's". Zwei der momentan angesagtesten Locations Dubais. Es war eine Woche voller Entdeckungen...“ Foto: Die Autorin und Designerin Hala Salem Achillas

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Unter dem Titel „Wie man Geld zu Kunst macht“ berichtet Die Presse am 30. April 2011 über völlig neuer Erkenntnisse – zumindest für die Autorin des Artikels, Nicole Stern, dürften diese Erkenntnisse völlig neu gewesen sein: "Kunstwerke können mit den Jahren spektakuläre Wertsteigerungen abwerfen, problematisch ist der Kauf von Werken völlig unbekannter Künstler. Ahnungslose sollten ihr Geld aber lieber andernorts investieren.“

Nachdem Die Presse bereits im November 2010 einen zwar stilistisch reißerischen, inhaltlich aber eher dünnen Artikel über den Kunstmarkt gebracht hat, stellt sich die Frage, ob das Thema Kunstmarkt grundsätzlich von völlig ahnungslosen JournalistInnen thematisiert wird. Ein paar Anmerkungen dazu finden sich im Kommentar „Rekordverdächtige Vorurteile“, der in der kommenden Ausgabe der Kunstzeitschrift UM:Druck publiziert wird.

 

Rekordverdächtige Vorurteile

Fast zeitgleich haben Die Presse und das WirtschaftsBlatt Ende November den Kunstmarkt unter die Lupe genommen. Die Presse-Redakteurin Barbara Petsch serviert uns am 21.11.2010 unter dem etwas zu reißerisch geratenen Lead „Ein Auktionsrekord jagt den anderen“ viele aufgewärmte Klischees: „Bedenkt man, dass jüngst ein Jackson Pollock für 140 Mio. Dollar verkauft wurde, wirken die Preise heimischer Künstler mager.“ Konkret bezieht sich Petsch auf jüngste Auktionsergebnisse: „Nicht einmal Spitzen-Künstler wie Arnulf Rainer oder Maria Lassnig erzielten Rekorde.“ Abgesehen von der falschen Prämisse, dass es EINEN homogenen Kunstmarkt gibt in dem nur Rekorde zählen, vergleicht die Redakteurin hier Trüffel mit Eierschwammerl. Die Aussage ist vergleichbar mit der Feststellung: Im Vergleich zum Börsenwert von Google ist der Wert von diepresse.com sehr mikrig. Zweifelsfrei richtig. Aber wer würde jemals google.com mit diepresse.com vergleichen?

Michaela Lexa schreibt im WirtschaftsBlatt (25.11.2010), „Kleinanleger, die vom wieder erstarkten Kunstmarkt profitieren wollen, haben nicht viele Möglichkeiten“. Sie stellt diese Meinung als Tatsache in den Raum. Gemäß der hier zitierten Zahlen beliefen sich die Auktionsumsätze im Jahr 2009 auf knapp fünf Mrd Dollar, während der Gesamtmarkt auf „31,3 Milliarden € gesunken ist“ also auf ca 41 Mrd. Dollar. Das heißt, der Auktionsmarkt beträgt etwa 12 Prozent vom Gesamtmarkt. Der WiBl-Artikel vermittelt leider eine Verfälschung der Tatsachen, so als wäre Investment nur in dem Kunstsegment möglich, das über die Auktionshäuser gehandelt wird.

Wenn man Anlagemöglichkeiten für Kleinanleger sucht bzw. beurteilt, dann muss man allerdings den Gesamtmarkt betrachten. Tatsache ist, dass es sehr, sehr viele Nischen gibt, wo man für relativ wenig Geld eine solide Kunstsammlung mit nachhaltiger Wertsteigerung aufbauen kann. Das beginnt bei signierten Kunstkatalogen, geht über das breite Feld der Grafik und Druckgrafik und reicht bis zur gezielten Auswahl unterbewerteter Künstler. Der Markt ist voll davon, nur die Medien berichten ausschließlich über Sensationsergebnisse wie Picasso & Co und erzeugen so beim Leser den Eindruck, als würde „DER“ Kunstmarkt nur aus dem Spitzensegment bestehen – aus den immer gleichen 100 Namen.

Wenns denn überhaupt 100 Namen sind. In einem Interview, das Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder dem Wirtschaftsmagazin „atello“ (Ausgabe Nr 13, Oktober/November 2010) antwortet er auf die Frage „Was zieht die meisten Besucher an? Und wie schwer ist es, echte Quotenhits zu landen?“ mit der denkwürdigen Feststellung: „Es sind immer noch die großen Meister, die das Sehen verändert, das Machen von Kunst und die Vorstellung dessen, was Kunst überhaupt sein kann oder sein darf, radikal revolutioniert haben. Der Wettbewerb um die wichtigen großen Ausstellungen ist nicht ein lokaler innerhalb einer Stadt, sondern ein internationaler. Die relevanten Künstler können letztendlich auf 20 oder 30 begrenzt werden, die wollen auch in Chicago, Los Angeles oder Tokio gesehen werden...“

Wenn das Wort Schröders gilt, so sind demnach alle anderen Künstler irrelevant. Wer Schröder nicht kennt, müsste sagen, das ist aber dumm, ja sogar saublöd. Da aber bekannt ist, dass Schröder ein hochintelligenter Mensch ist, kann seine Aussage nur als verantwortungslos und fahrlässig bezeichnet werden. Verantwortungslos, weil Journalisten, die ja in der Regel keine Ahnung haben, wovon sie schreiben, sondern sich auf Fachleute beziehen, die sie zitieren können, aufgrund solcher Aussagen ihre Berichterstattung naturgemäß genau darauf begrenzen, was ihnen Meinungsbildner als relevant vorsetzen. Fahrlässig, weil ein Museum auch einen staatlich finanzierten Bildungsauftrag hat, wonach in einem Perpetuum Mobile nicht nur „die relevanten Künstler“ auszustellen sind, sondern wenigstens hin und wieder ein kleiner Teil jener Schätze dem Publikum zugänglich zu machen wäre, die das eigenen Museum birgt.

Schröder wird man das wohl nicht erklären können, denn etwas später in dem Interview offenbart er sich als Überzeugungstäter, mit einer Weltanschauung, die erklärt, dass die geweihten Hallen der Kunst nur den Göttern vorbehalten sind: „Es ist so furchtbar leicht, ein schwarzes Quadrat zu malen. Das kann ein jedes Kind … Aber das erste schwarze Quadrat zu malen, ist wahnsinnig schwer, weil noch nie jemand auf die Idee gekommen ist. Für mich ist es so unverständlich, wie einige dieser Götter, die wirklich oben auf dem Olymp sind, während wir hier unten in verzerrter Perspektive nur hinaufschauen, im Stande waren, immer wieder unsere Wahrnehmung und unsere Vorstellung dessen, wozu der Mensch im Stande ist, zu revolutionieren.“

Seit dem Wassereinbruch in der Albertina im Sommer 2009 ist Schröder ja – neben dem Papst – die höchste Autorität in Sachen Gottesbeweise (siehe Video). Nun hat er sich in aller Demut – „wir hier unten“ – in die erlesene Zahl jener Erleuchteten eingereiht, die Gott, oder die Götter, im Olymp gesehen und erkannt haben. Ich glaube, es ist unmöglich, so einen Menschen auf den Boden der Realität zurück zu bringen. Im übrigen bin ich der Meinung, dass die Medien öfter folgende Schlagzeilen bringen sollten: „Inflation im Anrollen“ (WirtschaftsBlatt investor, 18.2.2011). Das weckt Hoffnungen, dass die Leute ihr Geld für Kunst ausgeben anstatt es aufs Sparbuch zu legen, wo es bekanntlich nix bringt.

 

Ergänzung 18.4.2021: NFT - der neue Schlüssel für einen neuen Kunstmarkt? Über Non Fungible Token und das Kunstgeld Etherium.

 

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